Poker ein Spiel des Zufalls oder der Fähigkeiten?

PokerStars, regelmäßige Pokerrunden im Fernsehen, Stefan Raab, Boris Becker, Rafael Nadal, Michael Phelps und mit Pius Heinz der erste deutsche Poker-Weltmeister - keine Frage, Offline- als auch Online-Poker sind seit geraumer Zeit sehr im Kommen. Doch macht uns die Definierung des Pokerspiels - zwischen reinem Zufall, angewandter Mathematik oder einfach nur sportlicher Aktivität - noch arg zu schaffen.

Poker unterläuft gerade eine Imageänderung.
Das ehemals Anrüchige wird abgeschält, das Coole am Bluffen, Hinterfragen und an der mathematischen und psychologischen Herangehensweise wird stärker in den Vordergrund geschoben. Das man bei der ganzen Sache auch noch gutes Geld verdienen kann, kommt nicht ungelegen. Kein Grund das zu verleugnen, denn es dreht sich hier ja um ehrliche Arbeit, sagt man sich mittlerweile.

Im Zuge der globalen Bemühungen, die Online-Glückßpielgesetze zu liberalisieren (siehe den gescheiterten Versuch in Schleswig-Holstein) und den Online-Casinos gleichzeitig strengeren Regulierungen auszusetzen, finden immer mehr Parteien Intereße an Poker. Der finanzielle Aspekt ist dabei nicht ganz unwichtig. Daß die zu erwartenden Steuerzahlungen von den Glückßpielriesen marode Haushaltskaßen ausbeßern können, wißen bedürftige Staaten wie Italien, Spanien oder Griechenland nicht erst seit der Finanzkrise.

Amerikanisches Gerichtsurteil besinnt sich auf das Wesentliche
In seinem Urteil vom 21. August dieses Jahres entschied das US-Bundesbezirksgericht in New York City, daß Poker vielmehr ein Spiel der Fertigkeiten denn des Glücks sei. Richter Jack Weinstein berief sich dabei auf Berichte von Sachverständigen, aus denen hervorging, daß die Aktionen der Pokerspieler zwar zufälligen Geschehnißen unterliegen aber nicht so das Treffen ihrer Entscheidungen.

Als Beispiel zog der Richter in seiner Urteilsbegründung das Bluffen heran, welches als bewußtes Werkzeug eingesetzt werden könne, um trotz schlechter Karten noch zu gewinnen. Die Anklage gegen den Betreiber eines Poker-Clubs wurde also fallengelaßen, weil sein Geschäft nicht gegen den Illegal Gambling Busineß Act (IGBA) verstoße, da Poker nicht der Definition von Glückßpiel treffe, die die Gesetzgeber damals vor Augen hatten.

Soweit die moderne amerikanische Sichtweise auf Poker. Wie sieht das aber in Deutschland aus? Einen Einblick in diese Frage konnte man am 31. Oktober erlangen, als im Kölner Finanzgericht das Verfahren gegen Eduard Scharf wegen Steuerhinterziehung eröffnet wurde. Das Kölner Finanzamt sieht sich nämlich im Recht, Einkommenßteuern für seine jahrelang auf Pokerturnieren erzielten Preisgewinne im sechßtelligen Bereich einzufordern, obwohl solche in Deutschland gemeinhin als steuerfrei gelten.

Deutsches Gerichtsurteil besinnt sich auf das Geld
Erster Unterschied zum amerikanischen Urteil: das deutsche Gericht zeigt sich weitaus weniger philosophisch ausgerichtet. Hier steht nicht so sehr die Frage im Vordergrund, ob Poker von Glück oder Geschicklichkeit bestimmt sei, sondern vielmehr die Einstufungsgrenzen zwischen Hobby- und Profispieler.

Mit dieser Ausgangsfrage im Hinterkopf macht sich das Finanzgericht Köln an einen gewagten Vorwärtßalto, indem es die Argumentation des amerikanischen Richters gleich doppelt wörtlich nimmt. Erstens, Poker ist ein Spiel, das durch Fähigkeiten und nicht durch Zufall entschieden wird.

Zweitens, weil dem so ist, könne man von einer gewerblichen Tätigkeit sprechen, in der der Angeklagte wie ein erfolgreicher Freiberufler zu behandeln sei, so die Vorsitzende Richterin Maria-Elisabeth Wetzels-Böhm.

Falsches Spiel auf beiden Seiten
Damit schafft die deutsche Legislative den Spagat, Poker als Glückßpiel in staatlich regulierte Casinos abzuschieben und gleichzeitig Gewinne von Vielspielern den Stempel "Glückßpiel" und somit Steuerfreiheit zu verweigern. Vielleicht ist der doppelte Vorwärtßalto also doch eher als ein Rückzieher vor fiskalen Notwendigkeiten zu sehen.

Das war vor Gericht allerdings nicht der einzige Rückzieher, der zu beobachten war, denn die Stellungsnahmen der sechs Angeklagten - sie hätten gar nicht soviel Geld gewonnen und schon gar nicht wegen ihrer Fähigkeiten - muteten wie ein Rückfall in die Steinzeit an. Da sind die Amerikaner uns Deutschen voraus.

Geschrieben für OnlineKasino.org am 02-11-2012